Tief bestürzt gibt die Cinémathèque suisse den Tod der Tessiner Produzentin Tiziana Soudani bekannt. Sie starb am vergangenen Samstag, als die Solothurner Filmtage, für die sie 2017 den «Prix d’Honneur» erhielt, bereits in vollem Gang waren. Drei Filme von ihr stehen dieses Jahr im Programm: der Spielfilm Love me tender von Reynicke, der Dokumentarfilm Amazonian Cosmos von Daniel Schweizer sowie Antonio Pratas Kurzfilm Monsieur Pigeon.
Es ist zwar üblich, dass die Produzentinnen und Produzenten im Schatten stehen, doch Tiziana Soudani liebte das Rampenlicht tatsächlich nicht besonders. Immer lächelnd, stets aktiv, entschlossen und von überschäumender Initiative erhellte die in Minusio lebende und in Lugano arbeitende Locarneserin mit ihrer Anwesenheit die Sitzungen, Treffen und Podiumsveranstaltungen. 1987 gründete sie mit ihrem Ehemann, dem Regisseur und Kameramann Mohammed Soudani, die Produktionsgesellschaft Amka Film, benannt nach ihren beiden Töchtern Amel und Karima. Seitdem stellte sich für sie Erfolg nach Erfolg ein, und sie ging manchmal unvernünftige Risiken ein, damit ein Film entstehen konnte. Doch die Zukunft würde ihr recht geben.
Tiziana Soudani, die Werke von Regisseurinnen und Regisseuren aus der Schweiz, Italien, Afrika, Frankreich und sogar des irakischen Kurden Hiner Saleem (den 2003 in Venedig prämierten Vodka Lemon) produzierte, behauptete sich schnell im kleinen Kreis der Schweizer – und speziell Tessiner – Produzenten. Mit Waalo Fendo, Là où la terre gèle ihres Gatten (1997) gewann sie den allerersten Schweizer Filmpreis. Dann folgte 2013 der Premio Cinema Ticino auf der Piazza Grande in Locarno. Ausserdem koproduzierte sie einen Welterfolg: die romantische Komödie des italienisch-schweizerischen Regisseurs Silvio Soldini, Pane e tulipani (2000), einen mit Preisen überhäuften Film, der den Beginn einer regelmässigen Zusammenarbeit mit Soldini markierte.
Im Laufe der Jahre arbeitete sie mit Regisseuren wie Marco Bellocchio (Sangue del mio sangue, 2015), Leonardo di Costanzo (L’intervallo, 2012 und L’intrusa, 2017) und seit deren Debüt mit Alice Rohrwacher zusammen, die in Cannes für Le meraviglie (2014) den Sonderpreis der Jury und für Lazzaro Felice (2018) den Preis für das beste Drehbuch erhielt. Nicht zu vergessen sind auch die zahlreichen Kurzfilme, Produktionen fürs Fernsehen und Dokumentarfilme, die Tiziana Soudani produzierte, namentlich der bemerkenswerte Face Addict von Edo Bertoglio (2005) oder Gotthard, One Life, One Soul von Kevin Merz (2017), der auf der Piazza Grande in Locarno vorgeführt wurde. Die von ihr produzierten Filme nahmen somit an allen grossen Festivals teil: von Cannes bis Locarno, einschliesslich Berlin, Venedig und Nyon.
Sie war es auch, die den Kinderfilmklub die Zauberlaterne in der Westschweiz entdeckte und ihn ab 1996 an mehreren Orten im Tessin einführte. Tiziana Soudani war eine begeisterte, warmherzige Freundin des Films – schlicht eine Freundin. Unsere Filmbranche verliert eine Frau mit grossem Talent. Im Namen der Cinémathèque suisse und in meinem eigenen Namen entbiete ich ihrem Gatten und ihren beiden Töchtern mein herzlichstes Beileid und tiefes Mitgefühl.
Frédéric Maire
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