Im Rahmen der Rencontres 7e art Lausanne zeigt die Cinémathèque suisse als Schweizer Premiere den Dokumentarfilm der spanischen Regisseurin Inés Toharia Terán: Film, the Living Record of our Memory. Wie der Titel schon sagt, erzählt dieses Werk, weshalb Filme gewissermassen die lebenden Spuren unserer Erinnerung sind und weshalb es daher unerlässlich ist, sie zu erhalten.
Als die Filmemacherin dieses Projekt schon vor einigen Jahren lancierte, wollte sie eine Art Weltreise durch die Filmarchive machen und Archivare, Sammlerinnen, Programmgestalter und Filmschaffende besuchen, denen das Kulturerbe am Herzen liegt. Sie hatte jedoch nicht mit der Pandemie gerechnet, die ihre Reise erschwerte, verlangsamte und in die Länge zog. Dennoch gelang es ihr, ohne je die Geduld zu verlieren, Dutzende Aussagen zusammenzutragen, unter anderem jene von Vertretern der weltweit wichtigsten privaten und öffentlichen Archive sowie der (sehr) engagierten Filmemacher Martin Scorsese, Ken Loach, Christopher Nolan, Wim Wenders, Walter Salles und Costa-Gavras. Ihre Reise durch die Zeit führte sie ausserdem in alle Ecken der Welt, in Länder, in denen man mit Händen und Füssen dafür kämpfen muss, ein Filmarchiv einzurichten, um zu verhindern, dass die Erinnerungen auf immer verschwinden, wie in Afrika oder in einigen asiatischen Ländern. Ihr Film zeigt uns letztlich, wie unentbehrlich das Filmerbe für die Geschichte der Menschheit ist und wie wichtig es ist, es zu bewahren.
Es ist faszinierend, die Tausenden von Kilometern an Gängen und Regalen zu sehen, in denen sich in den USA, Thailand, Frankreich oder Spanien Millionen Filmrollen und Dokumente stapeln. Ausserdem ist es spannend, den Hunderten von Personen, die in der ganzen Welt verstreut, doch durch eine gemeinsame Leidenschaft verbunden sind, bei ihrer Arbeit zuzuschauen: Bild um Bild entfernen sie Staub und Schimmelpilze und restaurieren geduldig jedes Fotogramm, indem sie die Risse zwischen den Perforationen reparieren und schliesslich die Filmrollen digitalisieren, um sie wieder für die breite Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Einige können in technisch höchst modern ausgestatteten und klimatisierten Räumlichkeiten arbeiten, wie hier im Forschungs- und Archivierungszentrum Penthaz, andere müssen mit den wenigen vorhandenen Mitteln auskommen. Sie alle verfolgen jedoch dasselbe Ziel: So viele Bilder wie möglich vor dem sicheren Zerfall zu retten, wenn nichts unternommen wird, um sie unter angemessenen Bedingungen aufbewahren zu können. Dabei kann uns der Zufall manchmal ein Geschenk machen, wie die schöne Geschichte von Bill Morrison in seinem Film Dawson City: Frozen Time (2016) zeigt: 1978 fand ein filmbegeisterter Arbeiter am Steuer seines Baggers Hunderte von Stummfilmen, die als verloren galten und im Permafrost vergraben waren. Der Betreiber des Kinos in Dawson, einer kanadischen Kleinstadt 500 Kilometer südlich des Polarkreises, hatte die Filmrollen nicht verbrannt, wie er es hätte tun sollen, sondern einfach weggeworden, um das Loch eines stillgelegten Schwimmbads zu füllen.
Frédéric Maire, Direktor der Cinémathèque suisse