Tod von Franz Ulrich (1936-2022), prägende Figur der katholischen Filmpublizistik und ehemaliger Mitarbeiter der Dokumentationsstelle ZOOM
Franz Ulrich, geboren 1936 in Schwyz, übernahm in seinem Leben viele verschiedene Rollen, die sich alle durch ein sensibles und leidenschaftliches Engagement für den Film auszeichnen. Nach einem geisteswissenschaftlichen Studium an der Universität Freiburg widmete er sich ab den 1960er Jahren dem Medium Film: Als Präsident des Filmklubs der Universität und Gründungsmitglied des katholischen SELECTA-Verleihs trug er in Freiburg zum Aufbau von Filmbildung und Filmkultur bei; mit seinen Filmvorlesungen an der Universität war er zudem zu einem frühen Zeitpunkt daran beteiligt, den Film als akademisches Fach zu etablieren.
Vor allem aber ist sein berufliches Wirken eng mit der Geschichte des Deutschschweizer Ablegers der Cinémathèque suisse verbunden: Über dreissig Jahre, ab 1966 bis 2001, war Franz Ulrich in unterschiedlichen Funktionen für das Filmbüro des Schweizerischen Katholischen Volksvereins (SKVV) und dessen Nachfolgeorganisationen tätig. Als «Doyen der progressiven katholischen Filmkritik», wie ihn die Professorin Monika Dommann im Januar 2022 in der WOZ bezeichnete, prägte er die bedeutenden kirchlichen Filmzeitschriften Filmberater sowie die ZOOM – Zeitschrift für den Film über lange Jahre. Seine Spuren hinterliess er jedoch nicht nur in der publizistischen Arbeit, sondern auch in den Sammlungen der ehemaligen Dokumentationsstelle ZOOM. Nicht zuletzt seinem intensiven persönlichen Engagement ist es zu verdanken, dass in Zürich sowohl die nationale als auch die internationale Filmproduktion dieser Jahrzehnte ausführlich dokumentiert ist. Mit «prall gefüllten Reisetaschen», so formuliert es Rolf Niederer anlässlich Franz Ulrichs Pensionierung 2001 in der NZZ, kehrte der Sammler von Festivals und Filmvorführungen zurück und reicherte die Sammlungen der Dokumentationsstelle mit Artikeln, Fotos, Pressedossiers und Flyer an. Weiter wirkte Franz Ulrich an Schweizer Filmproduktionen mit, war Mitglied kirchlicher Jurys an internationalen Festivals, arbeitete mit Isa Hesse-Rabinovitch an einer Publikation zu ihrem Werk und pflegte intensive Kontakte zur Schweizer Literaturszene, was sich in einer umfangreichen und sorgsam gepflegten privaten Bibliothek niederschlug.
Franz Ulrich ist am Montag, 21. Februar mit 85 Jahren in Zürich verstorben. Dem heutigen Forschungs- und Archivierungszentrum Zürich der Cinémathèque suisse blieb er bis zu seinem Tod eng verbunden. Nach seiner Pensionierung arbeitete er an der Erschliessung der Bestände von Reni Mertens/Walter Marti und Hans Stürm/Beatrice Michel mit. Er freute sich über die Digitalisierung und Publikation sämtlicher Ausgaben der kirchlichen Filmzeitschriften auf dem Portal E-Periodica, die die Cinémathèque suisse in Zusammenarbeit mit der ETH Bibliothek realisierte. Darin sind seine zahlreichen Artikel als Filmkritiker online nachzulesen. Die Cinémathèque suisse wird zu einem späteren Zeitpunkt dieses Jahres ein ausführliches Interview mit Franz Ulrich publizieren, das der Filmhistoriker Adrian Gerber 2020 führte.
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Franz Ulrich in der Cinémathèque suisse (©Carine Roth, 2017)