Am 15. März verstarb in Zürich eine der markantesten Persönlichkeiten des Schweizer Films. In der Westschweiz vernahm nur ein kleiner Kreis von seinem Tod; ausführlicher berichteten die Medien hingegen in der Deutschschweiz, wo er als einer der wenigen Magnaten der siebten Kunst sein ganzes Leben verbrachte.
Erwin C. Dietrich kam am 4. Oktober 1930 in Glarus zur Welt und machte seine ersten filmischen Schritte als Schauspieler, bevor er 1955 die Produktionsfirma Urania gründete. Zwischen der Schweiz und Deutschland pendelnd, produzierte er Abenteuerfilme, Komödien und Krimis, zum Beispiel Der Herr mit der schwarzen Melone von Karl Suter (1960) mit dem Schauspieler Walter Roderer, dem späteren berühmten Nötzli, oder Ein Sarg aus Hongkong von Manfred R. Köhler (1964) nach einem Roman von James Hadley Chase.
1966 begann er mit Schwarzer Markt der Liebe und St. Pauli zwischen Nacht und Morgen von José Bénazéraf als Erster mit der Produktion von Erotikfilmen fürs Kino und antizipierte gewissermassen die sexuelle Befreiung der 1970er-Jahre. 1968 führte er erstmals Regie bei Die Nichten der Frau Oberst, der Adaptierung eines Guy de Maupassant zugeschriebenen Romans (der aber anscheinend von der Marquise de Mannoury d’Ectot geschrieben worden war).
Im Lauf der Jahre initiierte er über 80 Filme dieses Genres; unter anderem zwischen 1975 und 1977 nicht weniger als 17 Filme des bekannten spanischen Regisseurs Jess (Jesús) Franco, und verhalf der Schauspielerin Brigitte Lahaie zu Bekanntheit. Abwechslungsweise oder gleichzeitig als Produzent und Regisseur unter den Pseudonymen Michael Thomas oder Manfred Gregor auftretend, wurde er zur Galionsfigur des blühenden Marktes für erotische und pornografische Filme. In den folgenden Jahren investierte er in Filme eines völlig anderen Genres: 1983 und 1984 koproduzierte er zwei grosse Werke des Italieners Marco Ferreri, Storia di Piera (1983) mit Isabelle Huppert und Marcello Mastroianni, der Hanna Schygulla in Cannes den Darstellerpreis einbrachte, und Il futuro e donna (1984), der in Venedig am Wettbewerb teilnahm.
1978, zwischen Mädchen nach Mitternacht und Sechs Schwedinnen im Pensionat, widmete er sich wieder dem Actionfilm und produzierte mit Euan Lloyd den Kriegs- und Söldnerfilm The Wild Geese von Andrew McLaglen mit Richard Burton, Roger Moore, Richard Harris, Hardy Krüger und Stewart Granger. Der kommerzielle Erfolg des Films veranlasste ihn in den 80er-Jahren, vier weitere ähnliche Filme zu produzieren, unter anderem mit Klaus Kinski und Lee Van Cleef. Es folgten zwei Deutschschweizer Komödien mit dem Komiker seiner Anfänge, Walter Roderer: Ein Schweizer namens Nötzli (1988) und Der doppelte Nötzli (1990).
Er war der erste Kinobetreiber, der ein Multiplex bauen liess, das Capitol in Zürich, dann das Cinemax, das er später der Kitag verkaufte. Erwin C. Dietrich, von einigen seiner berühmten Bewunderer wie Joe Dante und Quentin Tarantino «Roger Corman der Schweiz» genannt, baute ein Imperium auf, das heute mit der renommierten Verleihfirma Ascot Elite weiterbesteht. Geleitet wird diese von seiner Tochter Karin und seinem Sohn Ralph; ihnen sprechen wir bei dieser Gelegenheit unser herzlichstes Beileid aus.
Die Archive der Gesellschaft Elite Film AG sind seit 2008 in der Cinémathèque suisse aufbewahrt: Online-Inventar.